Sadhguru: Wenn es um die Wissenschaft der Annäherung an das Innere geht, haben die meisten spirituellen Wege in der Welt seit Ewigkeiten von Hingabe oder Bhakti gesprochen. Bhakti ist der schnellste Weg, denn für die meisten Menschen ist die intensivste Erfahrung in ihrem Inneren die Emotion.

Auch wenn die Menschen heute denken, dass sie intellektuell sind, ist die Emotion immer noch der intensivste Aspekt in ihnen. Die meisten Menschen kennen kein wahres Gefühl von Intensität in ihrem physischen Körper. Einige Menschen kennen die Intensität ihres Denkens. Nur sehr wenige kennen die Intensität ihrer Lebensenergien. Aber jeder kennt eine gewisse Intensität der Emotionen. Selbst wenn ihre Liebe oder ihr Mitgefühl nicht intensiv ist, so ist es doch zumindest intensiv, wenn sie wütend werden. Mit etwas Emotion sind sie in der Lage, intensiv zu werden. Aus diesem Grund wurde viel Wert auf Bhakti gelegt.

Die Gesellschaft hat schon immer Menschen verfolgt, wenn sie irgendeine Art von spiritueller Verrücktheit zeigten.

In Indien breitete sich die Bhakti-Bewegung über den gesamten Subkontinent aus. Es gibt viele schöne Beispiele wie Ramakrishna Paramahamsa, Akka Mahadevi und Mirabai, die zu großen Höhen getragen wurden, indem sie eine Flut von Emotionen in sich selbst erzeugten.

Und viele Menschen aus anderen Kulturen kamen auf den Subkontinent, angezogen von dem, was hier geschah. Einer der frühen Sufis, Mansur al-Halladsch, ist ein solches Beispiel. Er lebte um das zehnte Jahrhundert nach Christus in Persien. Auf seinen Reisen kam er nach Gujarat in Indien und verbrachte dort viele Jahre mit einem Lehrer. Er traf einige echte, wilde Yogis aus der Bhakti-Bewegung, die sich in einem völlig anderen Zustand der Glückseligkeit befanden. Dann reiste er hinauf in den Punjab, wo er höchstwahrscheinlich vielen weiteren begegnete.

Als Mansur nach Persien zurückkehrte, wollte er diese Erfahrung weitergeben. Er ging nur mit einem Lendenschurz bekleidet – typisches Yogi-Zeug! Und er sagte: „Ana 'l-Ḥaqq“, was die gleiche Bedeutung hat wie das Sanskritwort „Aham Brahmasmi“: „Ich bin Gott. Ich bin die Höchste Wahrheit.“ Die Leute hielten ihn für verrückt – zum einen wegen des Lendenschurzes, zum anderen weil er behauptete, Gott zu sein. Aber er wollte nicht aufhören. Er sang und tanzte wie von Sinnen auf der Straße.

Er ging nach Mekka und errichtete eine eigene kleine Gottheit – vielleicht konsekrierte er sie auf irgendeine Weise. Und viele Menschen gingen stattdessen dorthin. Das war nichts, was irgendjemand lebend überstehen konnte, und er wurde auf grausame Weise getötet. Sie haben ihm tatsächlich bei lebendigem Leib die Haut abgezogen und ihn bis zur Hüfte eingegraben. Es wurde der Befehl gegeben, dass jeder, der an dieser Straße vorbeikommt, einen Stein auf ihn werfen muss. Mansurs lieber Freund Shebli ging in diese Richtung, und er musste etwas werfen. Aber er brachte es nicht übers Herz, einen Stein zu werfen, also warf er eine Blume nach ihm.

Als dies geschah, brach aus Mansur die Poesie hervor: „Von all den Dingen, verletzen mich jene Steine nicht, denn sie werden von Unwissenden geworfen. Du warfst diese Blume. Das hat mich so tief verletzt, weil du ein Wissender bist, und dennoch hast du etwas nach mir geworfen.“

Die Gesellschaft hat schon immer Menschen verfolgt, wenn sie irgendeine Art von spiritueller Verrücktheit zeigten. Die Gesellschaft hat immer Angst vor Gottergebenen gehabt, weil sie keiner Logik folgen. Vollends in Gott ergebene Menschen sind an sich wunderschön, aber sie passen nicht in die Gesellschaft, denn wenn man so voller Hingabe sein will, muss man ein gewisses Maß an Verrücktheit in sich tragen. Es ist eine sehr schöne Verrücktheit, aber es ist immer noch Verrücktheit.

Man kann nur im Verstand geisteskrank sein. Wenn du deinen Verstand verlierst, bist du vollkommen gesund.

Wenn nicht etwas Verrücktheit passiert, dann passiert auch nichts Neues. Wenn etwas Neues passieren soll, muss das logische Denken verschwinden. Bedeutet das, dass du verrückt wirst? Nein! Normalerweise ist das, was wir als Wahnsinn bezeichnen, Geisteskrankheit. Geisteskrank zu sein kommt nicht daher, dass das logische Denken verschwunden ist. Die Logik ist noch da, aber sie ist unvernünftig geworden. Ein Wahnsinniger denkt, seine Logik sei perfekt. Seiner Meinung nach sind es die anderen, die nicht logisch sind. Er lässt keinen Raum für die Meinung eines anderen. Wenn man anfängt zu denken: „Alle haben Unrecht, nur ich habe Recht“, ist das das erste Anzeichen von Geisteskrankheit.

Geisteskrankheit ist nicht jenseits der Logik, sie ist nur eine verdrehte Logik. Erleuchtung ist jenseits der Logik – dort gibt es keine Logik. Wenn nichts da ist, dann fließt alles durch dich hindurch. Alles liegt im Bereich deines Verstehens.

Im Deutschen gibt es einen Ausdruck, um eine verrückte Person zu beschreiben: Sie hat ihren Verstand verloren. Hättest du deinen Verstand verloren, wie könntest du dann geisteskrank sein? Geisteskrankheit hat immer mit dem Verstand zu tun. Man kann nur geisteskrank sein, wenn man im Verstand ist. Wenn du deinen Verstand verlierst, bist du vollkommen gesund, du wirst wie ein Mansur – etwas, das sich dem Verständnis der meisten Menschen entzieht.

Wenn die Menschen um dich herum nicht verstehen, was du tust, wird es in der Gesellschaft Verfolgungen geben. Wenn du deinen Verstand, deine Emotionen oder deinen Körper in einer Art Wahnsinn hältst, wirst du sofort gesellschaftlich inkompatibel werden. Deshalb ist es so wichtig, die Energie an die erste Stelle zu setzen. Wenn es um deine Energie geht, gibt es keine soziale Interaktion. Egal, in welcher Art von Wahnsinn sich deine Energie befindet, du kannst trotzdem deinen Verstand, deine Emotionen und deinen Körper gesellschaftlich kompatibel halten.

Wenn man also die Grenzen dessen, was als normal angesehen wird, überschreiten und trotzdem sozial verträglich sein will, ist es sehr wichtig, dass alle vier – Körper, Verstand, Emotion und Energie – kultiviert werden. Nur dann können die Menschen völlig und wahnsinnig glückselig sein und trotzdem vollkommen effizient und fähig bei allem, was sie tun – was in der heutigen Welt am nötigsten gebraucht wird.

Wenn deine Energie verrückt spielt aber dein Verstand stabil ist, kannst du innerlich total betrunken und verrückt sein, aber äußerlich sehr vernünftig und gut. Das ist die beste Art, den spirituellen Prozess in der heutigen Welt zu führen.

Editor's Note: Um für möglichst viele Menschen die Grundlage eines stabilen und ausgeglichenen Verstands zu schaffen, hat Sadhguru die Bewegung Miracle of Mind (Wunder des Verstands) ins Leben gerufen. In der kostenlosen gleichnamigen App findest du eine 7-minütige Meditation sowie viele Extras. Sieh es dir an!

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